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AutorenbildPeter van der Gugten

2006 München - Venedig - San Jon Scuol GR Schweiz

Aktualisiert: 22. Feb.


2006  

Ein neues Jahr, ein neuer Versuch.  

Nachdem der letzte Anlauf tragisch gescheitert ist; zwei der Pferde meines Freundes aus Ungarn sind an Vergiftung gestorben, kurz bevor wir aufbrechen konnten - haben wir uns dieses Jahr intensiv auf die 1000 km Alpen vorbereitet. Wir, das sind Pat Bohnert aus Freiburg mit Domingo ihrem Araber und Szabo Szolt mit Linda, seiner Ungarischen Halbblutstute und ich selber mit Flash, ebenfalls Araber. Zur Vorbereitung waren wir an Ostern für 8 Tage unterwegs durch die Lüneburger Heide an die Ostsee geritten. Flachland und Ausdaueraufbau, dann am 1. Mai im Schwarzwald, Schnee und Höhentraining, sowie auf der Schwäbischen Alp und zweimal in den Schweizer Bergen im herrlichen Engadin. Alleine schaffen Flash und ich nun 120 km in zwei Tagen mit 4000 Höhenmetern und ausser, dass Flash noch ein wenig Gewicht zulegen darf, sind wir fit und bereit für unser grosses Abenteuer. 





17.7. 

Szabo Zsolt, mein ungarischer Freund meldet sich mal wieder in höchster Not. Hier seine Geschichte: 

Es geht um Linda. Wir haben gut trainiert....  Und sie ist super gelaufen.... ausser in letzter Zeit... Sie wird immer langsamer und ich weiss nicht was ich tun soll....  

Ich habe den Tierarzt gerufen...   Er hat mir erklärt, dass ich Linda leider nicht mitnehmen kann... Deshalb muss ich leider den Ritt wieder absagen.  

Was hat der Tierarzt denn als Begründung gesagt ? Antwort:  Sie ist im 10. Monat tragend.

 

Nun, diesmal waren wir vorbereitet. Pat und ich haben bereits einen Haflinger im Auge gehabt, der als Ersatzpferd in Frage käme. Wir rufen den Eigentümer an und können das Pferd für Szabo kaufen. Er ist mit dem Preis einverstanden und vertraut uns, mit dem Pferd.  


22.7.06  

Sechs Uhr. Wir sind gestern nach langer heisser Fahrt hier in Siggenham angekommen. Der Tross fährt heute zurück. Und Szabo wird sich mit seiner Anja auseinander-setzen dürfen. Sie ist ein klasse Pferd, die aber ihren Mann / Frau fordert. Stefan wird uns heute ein Stück entgegen reiten. Für heute gut Ritt. 



23.7.  

Sonntag. Unserem Alpentiger geht es gut. Sie ist noch etwa vorwitzig und brettert mit Pat in das dichteste Gestrüpp, um den Weg für die älteren Herrschaften frei zu schaufeln. Wir reiten ohne Gepäck und gönnen uns ungewöhnlich viele Pausen. Irgendwer hat seine Beziehungen zum lieben Gott spielen lassen, es war den ganzen Tag bewölkt und am Abend regnete es sogar leicht.

Stefan ritt uns entgegen und traf uns oberhalb von Niederndorf. Gemeinsam kehrten wir nach einem zischenden Bier bei Angerers ein und versorgten die Pferde. Ein Bad in der Eisenbahn Gumpe erfrischte herrlich. Prien Oberaudorf (Kiefersfelden) 38.4km / 878 hm 


 



24.7. 

Stripsenjoch Wilder Kaiser. Nach einem reichhaltigen Frühstück verabschiedeten wir uns vom Angerer-Hof, um über Kiefersfelden den Aufstieg zum Stripsenjoch in Angriff zu nehmen. Der erste Aufstieg liess schon die Herausforderung erahnen, die uns erwartete. Später ging es eben hinaus in ein enges bewaldetes Tal, von 2000ern umrahmt und über uns 600 m höher das Stripsenjoch. Stefan in seinem Bergschritt voran liess uns Staub schlucken, wir drei Flachländer hechelten hintendrein. Ein dreiviertel Stunden lang. Es war eine herrliche Aussicht, die uns erwartete. Nachdem wir schwitzend und mit hämmerndem Puls oben angekommen waren. Stefan hatte die Getränke bereits auf dem Tisch stehen. Anja hielt sich tapfer und erholte sich gut. Der Abstieg war leicht im Vergleich und wir fanden Unterschlupf beim Tieschlerhof, wo wir herzlichst bewirtet wurden. Kommentar von Stefan nach dem Vorlesen: das mit dem Staub ist gelogen: der Staub hat sich längst gelegt. Oberaudorf (Kiefersfelden) - Griesau 





25.7. 

Nach einem aufschlussreichen Gespräch mit dem Wirt in Griesau am Vorabend entscheiden wir uns nicht den Wanderweg zu nehmen, was uns einmal von der Route abgekommen, 4 Std Teerklopfen beschert. Endlich um 1 Uhr nachmittags sind wir an Kitzbühel vorbei und können unser Henlabjoch in Angriff nehmen. In Kitzbühl hat ein Bauer, die Mistgabel schwenkend hinter uns her gebrült. Keine Ahnung was er wollte.

Der Aufstieg ist sehr bequem im Vergleich zum Vortag fast autobahnmässig und wir kommen gut voran. Der Wirt auf der Hütten erinnert sich an den Hans-Peter und den Albert und lässt beide grüssen. Das Joch selbst ist nur noch ein paar hundert Meter geführten Aufstieg. Oben angekommen werden wir von einer Herde Pinzgauer Kühe begrüsst. Bullig und stoisch stellen sie sich genau auf den Zaundurchschlupf. Der Abstieg gestaltet sich spannend, da wir den Weg plötzlich nicht mehr sehen und ich nur auf mein GPS achtend, plötzlich mitten in der Sumpfwiese stehe. Nichts neues für Flash, der mal wieder wie ein Appaloosa daherkommt. Etwas später erreichen wir die Forsthofalm, wo wir übernachten werden. Urig. Griesau Forsthofalm (Hinterglemm) 119km 3625 hm 





26.7. 

Flash dackelt die halbe Nacht vor unserem Heustadl hin und her und hält mich wach. Wo sind die anderen Pferde? Flash sucht unsere Nähe, da ihm der Rest der Herde abgeht. Er findet raus, dass das Kraftfutter in Pats Taschen ist. Er gibt keine Ruhe, bis ich aufstehe und ihm seinen Heuhaufen zeige. Er frisst dort zufrieden, ich lege mich wieder schlafen, 5 Min später steht er wieder vor unserem Törl. Ich gebe auf und stehe auf. In der Früh, gehen Pat, Stefan und Szabo die Pferde suchen. Die Weide ist erheblich grösser als wir am Abend zuvor verstanden hatten. 45 min und etwa 200 HM später findet Pat ihren Schimmel am höchsten Punkt der Weide. Nach 12 Spiegeleiern ziehen wir um 8 Uhr von dannen. Der Weg ist breit und lädt zum Trab ein. Einzig Anjas wegen reduzieren wir das Tempo und gehen im Schritt den Berg hoch. Es ist herrlich kühl hier oben. Nach 3 Std erreichen wir die erste Passhöhe und geniessen die herrliche Aussicht. Über dem Panoramaweg erreichen wir endlich das Sommertor und dann beginnt der quälend lange und heisse Abstieg nach Uttendorf. Um 3 Uhr NM finden wir endlich eine Gaststätte. Das erste Radler wird von den Schleimhäuten absorbiert, erst das zweite kommt im Magen an. Wir pennen mit dem Kopf auf dem Bordstein und es ist mühsam wieder an’s Weitergehen zu denken. Abends um 6 sind wir in unserem Quartier. Wir treffen uns mit Hanspeter Ganter, der uns die Karten für den Felbertauern bringt. Stefan muss zurück und kann uns leider nicht länger begleiten. Wir tauschen 25 kg Kraftfutter gegen ein Abendessen und eine Topokarte gegen 2 Bier. Ein schöner aber langer Tag geht zu ende. Hinterglemm Uttendorf 152 km 4900 HM




 

27.7. 

Wir leisten uns ein Luxushotel, das Hanspeter uns empfiehlt. Herrlich, saubere Socken, sauberes T-Shirt. Pat darf ihr Zaunsystem testen und findet in den Tiefen Ihrer Packtaschen sogar noch 7 Isolatoren. Unglaublich die Frau. Anjas Gurtdruckschwellung ist auf dem Rückzug dank Essig/Früchtejoghurtwickel. Dafür hat Flash jetzt ‘ne Druckstelle vom Gurt, den Anja anhatte. Wir beschliessen einen neuen Neoprenegurt zu besorgen. Und Bargeld brauchen wir auch. Völlig absorbiert von diesen beiden Herausforderungen, vergesse ich meine Akkutaschenlampe und darf zum früh morgentlichen Jogging zurück ins Hotel antreten. 1 Std später verabschieden wir uns vom Stefan Knoll und kaufen beim Neubauer in Mittersil einen neuen Neopreneggurt, Kühlpaste für Anja auf Pat’s Befehl und zwei Lederriemen legt der Sattler aus seinem Privatfundus dazu, damit meine Banane, die noch immer einen guten Teil von Szabos Gepäck beinhaltet, nicht dauernd verrutscht. Denn die Erdanziehung wirkt auch in den Bergen.

Der Weg zum Felbertauern beginnt mit einem heftigen Aufstieg, später werden unsere Trabbemühungen immer mal wieder durch ein Viehgatter unterbrochen. Ein Tor können wir in einem Bach umreiten, ein weitere ist mit einem Schloss versperrt. Weiss der Geier warum. Jedenfalls lassen wir uns durch so was nicht aufhalten und legen beim Gatter einfach Bretter drüber. Wir sehen die ersten Schneefelder in den Höhen und kommen nach einer kurzen Rast im Tauernhaus Spital an, wo wir den Pferden einen halben Tag Rast gönnen. Wir selbst nehmen ein erfrischendes Bad im eiskalten Gebirgsbach und geniessen die kühlen Temperaturen. Das Haus steht seit dem 12. Jh und ist eine Übernachtung wert. Die Bedienung, die Nancy aus Thüringen, ist sehr nett und zu unserer Begeisterung findet am Abend ein Fest zur Ehren 100 Jahren Bergwacht statt. Mit Orgelmusik. Handorgel. Super. Morgen um 6 gibt es Frühstück. Hanspeter liefert uns Kraftfutter frei Haus über den Pass. Die Pferde danken es  Dir. Uttendorf Tauernhaus Spital 169 km 5349 hm.







28.7. 

Ausgeruht und fit treten wir die Herausforderung der Alpen, den Felbertauern an. Der geteerte Weg führt bis zu einer Pferdeweide, deren Zugang mit einem stabilen Schloss verschlossen ist. Die zwei Braunen, der Schimmel und das schwarze Schetty waren begeistert uns auf ihrer Weide begrüssen zu dürfen, nachdem ich den vernagelten Nebeneingang geöffnet und natürlich wieder verschlossen hatte. Das Schetty verfolgte uns bis zu einem Weidezaun etwa 300 Höhenmeter höher, zur Begeisterung von Pat, die um ihren Domingo fürchtete. Der Aufstieg etwa 1100 HM verlief im ersten Teil gemütlich im Zickzack über eine Weide auf einem original Römersteig. Wir kreuzten ein Hochplateau mit herrlichen Seen und machten dort Pause, während ich den weiteren Weg erkundigte. Es fing zu nieseln an, so dass wir uns entschieden, den kürzeren, aber steileren Weg zu nehmen. Hanspeter hatte uns gesagt, dass es abenteuerlich werden würde - er hatte nicht übertrieben. Über Steinplatten, Felsbänder, Geröll und Schotterhalden ging es steil aufwärts, bis wir über ein Schneefeld unterhalb der St. Pöltner Hütte 2481 MüM rauskamen. Der Wirt freute sich riesig, wir waren die ersten Pferde seit 10 Jahren, die den Nordaufstieg geschafft hatten. Nach einer heissen Erbsensuppe stiegen wir auf der Südseite ab, wo uns schon nach wenigen 100 m ein Weg, Szabo nannte es eine Autobahn, begrüsste. Über den Venediger Weg, derselbige grüsste immer mal wieder rüber, kletterten wir ins Tal. Wo wir im Mattreier Tauernhaus Unterkunft fanden. Hanspeters Kraftfutter erwartete uns schon. Abends um 8 stiessen wir mit Christine aus der CH telefonisch mit einem Schnaps an. Tauernhaus Spital Mattrier Tauernhaus 193 km 37 h 7137 Höhenmeter





29.7. 

Anja geht es blendend. Sie ist fit und erholt sich nach der Anstrengung sehr gut. Ihr Problem ist der Gurtdruck, der sich gestern zum Schlechteren entwickelt hat. Die Nacht über stehen die Pferde in einem Reitplatz, aber sie fühlen sich nicht wohl. Dazu regnet es die ganze Nacht und in der Früh holen wir die Pferde in den Stall, um Domingos Gummilatschen neu festzunageln und aufzusatteln, Der Noriker Hengst im Stall brachte Anja lautstark seine Begeisterung zum Ausdruck. Szabo organisierte einen Gepäcktrans-port nach Feld, so dass Pat ohne Sattel mit Anja die 25 km reiten konnte. Da es regnete, waren ihre Hosen im Nu nass. Alles Weitere kann man sich denken. Sie schaffte es auf Anjas Rücken einige enge Stellen zu bewältigen, bevor sie an einem Tor mit dem Fuss hängen blieb und vom Pferd rutschte. Ansonsten hielt sie bravourös im Schritt, Trab und Galopp mit uns mit. Etwa 6 h später treffen wir im Gasthof Steiner ein, wo die Pferde in neuen Boxen bestens versorgt werden. Unsere Gastgeberin wäscht uns die Wäsche und wir schlüpfen nach einer heissen Dusche in trockene Klamotten. Wir werden heute besprechen, wie es weiter geht. Mattreier Tauernhaus Feld (Kals) 220 km 41h 7450 hM 






 

30.7. 

Um 0500 weckte Pat mich und entschied, dass es Zeit sei, die Pferde zu füttern. Was blieb mir übrig, ich stand ebenfalls auf und um 0630 nach einem ausgiebigen Frühstück, bestehend aus zwei Cornys und feucht getrockneten Aprikosen sowie Thermos Kaffee, den uns die Wirtin vom Talschlussrestaurant als Entschädigung für ein überteuertes Essen preiswert überlassen hatte - und der zu unserer Überraschung sogar noch warm war - brachen wir im trüben Licht der Morgensonne auf. Wir hatten etwa 48 km und 1200 hm vor uns - so trabten wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit, um noch vor Mittag in Sylvester Alp zu sein. Es war ein herrlicher Ritt, nur unterbrochen von einem zweiten Frühstück, in einem noblen Hotel am Weg und der Pause zu Mittag, damit die Pferde grasen konnten. Durch ein wunderschönes Tal gelangten wir auf die Alp, um von dort den Abstieg ins Tal Richtung Innichen in Angriff zu nehmen. Wie alle Abstiege gestaltete sich auch dieser sehr lang, da wir um einige Höhenmeter zu verlieren 2-300 m Serpentienenweg unter die Hufe bzw. Schuhe kriegen mussten. Die herrlichen Ausblicke auf die Dolomitten und die drei Zinnen entschädigten für die Distanz. Ein letzter Aufstieg von 400 hm nach 40 km machte uns und den Pferden doch zu schaffen und wir waren froh als Sexten und Moos auf ebener Strasse endlich näher rückten. Wir ritten auf dem Weg einem Zaun entlang, der am Boden lag. Da der Weg einen riesigen Bogen machte, entschied ich eine Abkürzung über die Weide zu nehmen. Plötzlich höre ich schwere Hufe donnern und eine Frau schreien. Sie steht hinter einem Baum und hat Panik. Vom Berg runter kommen drei Noriker angeflogen. Instinktiv richte ich Flash nach oben, um den Norikern entgegen zu reiten. Als ich jedoch die Hufe mit den zarten Beinchen meines Arabers verglich, entschied ich abzusteigen und mich mit einem dicken Ast zu bewaffnen. Ich trieb die Noriker wieder den Berg hinauf, als eine Stimme schrie: was machst du mit meinen Pferden. Ein Bauer stand zwischen mir und der noch immer schreienden Frau. Ich erklärte die Situation und er beruhigte sich wieder. Die Frau verschwand wortlos und er bot uns an, wir könnten auf seinem Stall übernachten, er würde uns einen Ballen Heu besorgen. Die Pferde standen geschützt im Morast, und wir lagen auf einem Sägemehlhaufen. Morgen warten die Drei Zinnen auf uns. St. Martin Moos (Sexten) 311 km 57 h 10106 HM